Virtuelle Unterstützung mit smarten Lösungen

Illustration: Daniel Garcia

Die digitale Transformation beschäftigt Maschinenhersteller ebenso wie ihre Kunden. Im Zuge von Industrie 4.0 hat die Digitalisierung auch in der Blechindustrie rasant Fahrt aufgenommen. Das Schweizer Unternehmen Bystronic zählt zu den Marktführern dieser Branche.

Norbert Seo, Senior Vice President Market Division Asia & Australia und Managing Director Bystronic Singapore/Bystronic Vietnam Pte. Ltd

Zum Portfolio des 1985 gegründeten Unternehmens mit Hauptsitz in Niederönz (BE) gehören Laserschneidsysteme, Abkantpressen sowie entsprechende Automations- und Softwarelösungen. Wie matchentscheidend digitale Tools für Bystronic heute sind, zeigt ein aktuelles Beispiel: Lange bevor es in der Schweiz zum Lockdown kam, verunmöglichte das Coronavirus in Asien Produktpräsentationen bei unseren Kunden vor Ort. Deshalb setzten wir erstmals Livestreamings ein, um Kunden und Interessenten unsere Lösungen vorzuführen. Die virtuellen Präsentationen stiessen auf grosse Resonanz, gerade auch in Südostasien. Weil die meisten unserer Mitbewerber keine vergleichbaren Lösungen im Angebot haben, konnten wir schnellstens auf die unerwartete Marktsituation reagieren und dadurch beispielsweise in Indonesien und Malaysia neue Kunden gewinnen.

Blechbearbeitungsexperten schätzen die interaktiven Möglichkeiten unserer Livestreamings: Sie können spezifische Problemstellungen und Anwendungsbeispiele aus ihrem Betrieb einbringen. Die Testschnitte und -biegungen werden von mehreren Kameras, die ausserhalb und innerhalb der Maschinen angebracht sind, live übertragen. Während der Vorführung haben die Kunden die Möglichkeit, die Perspektive zu wechseln, und können unseren Fachleuten über die Onlineplattform, per interaktivem Gespräch oder in bereitgestelltem Chatfenster, jederzeit Fragen stellen. So übertragen wir das Erlebnis einer physischen Produktdemonstration fast 1:1 in den virtuellen Raum.

Das Beispiel unserer Livestreamings macht es deutlich: Digitale Lösungen und agile Prozesse sind auch in unserer Branche zu Erfolgsfaktoren geworden. Weil wir umgehend auf die veränderten Marktbedingungen reagierten, waren wir in der Lage, die Corona-Krise als Chance zu nutzen. Und weil unsere Organisation über einen hohen digitalen Reifegrad verfügt, konnten wir eine kundenbedarfsgerechte Onlineplattform entwickeln.

Vom Schweizer KMU zum Technologieführer

Den ersten Vorstoss nach Asien wagte Bystronic 2002, als wir unser Werk in Tianjin, China, eröffneten. Seither haben wir unsere Marktstellung stark ausgebaut: Heute sind wir in zwölf asiatischen Ländern vertreten. 2010 gründeten wir unsere Ländergesellschaft in Vietnam – damals wie heute für uns der Markt mit dem grössten Potenzial im ASEAN-Raum. Mittlerweile verfügen wir über Standorte in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt, wo wir 2018 ein neues Experience Center eröffnet haben. In ganz Asien betreiben wir sechs solcher Demozentren, in denen unsere neueste Technologie vor Ort begutachtet und getestet werden kann.

Über die letzten zehn Jahre haben wir Erfahrungen mit den unterschiedlichen Märkten im ASEAN-Raum gesammelt. Dabei zeigte sich, dass es grosse regionale Unterschiede gibt. So sind wir in Malaysia zum Beispiel vor allem im High-End-Segment vertreten. In Vietnam hingegen bedienen wir ein deutlich breiteres Spektrum – neben unseren Flaggschiffen verkaufen wir hier auch leistungsstarke, aber auch preislich wettbewerbsfähige Modelle aus dem Werk Tianjin in China, die wir eigens für den asiatischen Markt in Entwicklungszusammenarbeit mit unseren Standorten Niederönz und Gotha entwickelt haben. Aufgrund dieser grossen Bandbreite sehen wir in Vietnam nach wie vor grosses Wachstumspotenzial.

Heute kennt man den Brand Bystronic auch im ASEAN-Raum. Dafür war jedoch viel Aufbauarbeit nötig. Wir investierten viel ins Branding, waren auf allen wichtigen Messen der Region präsent und führten regelmässig Events an unseren Standorten und bei Kunden durch. So schafften wir es, dass Bystronic heute auch in Südostasien mit Swissness und somit mit Qualität und Präzision assoziiert wird. Zentral war für uns zudem die Ausbildung des Personals. Denn nur wer über kompetente Verkäufer und Servicetechniker verfügt, welche die Probleme der Kunden verstehen, kann in unserer Branche erfolgreich sein.

Schritt für Schritt zur Smart Factory

Beim Ausbau unserer Marktstellung gewinnt für uns die Beratung laufend an Bedeutung, weil das Thema Industrie 4.0 äusserst komplex ist und viele Fragen aufwirft. Die Beratung hat sich aufgrund der Pandemie während der letzten Monate stark in den virtuellen Raum verlagert. Neben Livestreamings veranstalten wir für unsere Kunden auch Onlineseminare. Dabei binden wir neben unseren eigenen Fachleuten auch externe Experten aus der Industrie ein. Zudem nehmen an unseren Webinaren auch Referenzkunden teil, die ihre Erfahrungen an andere Betriebe weitergeben.

Mit unseren Beratungsdienstleistungen möchten wir die digitale Transformation unserer Kunden vorantreiben. Unsere Fachleute analysieren, wie Blechbearbeiter ihre Produktionsprozesse optimieren und automatisieren können. Die Smart Factory – die intelligent vernetzte Fabrik mit einem hohen Automatisierungsgrad – ist für viele Produktionsbetriebe in Südostasien das grosse Ziel. Wir zeigen ihnen, wie sie diese Vision mit unseren skalierbaren Lösungen Schritt für Schritt umsetzen können, wobei wir auch Maschinen von Fremdherstellern einbinden.

Unsere Beratung beschränkt sich jedoch nicht nur auf technische Themen. Wir unterstützen unsere Kunden auch mit unseren eigenen Finanzierungsprogrammen. Ebenso beraten wir sie, wie sie im Rahmen der staatlichen Wirtschaftsförderung Subventionen erhalten können.

Unsere Kunden im ASEAN-Raum sehen sich mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert: Der Zeit- und Kostendruck steigt auch in Südostasien. Lohnfertiger und Zulieferer müssen flexibel auf wechselnde Auftragslagen reagieren, ihr Fertigungsspektrum laufend erweitern und rasch zwischen grossen und kleinen Serien wechseln. Mit intuitiven Softwarelösungen, smarten Maschinen und effizienten Automationssystemen fördern wir die Innovationskraft unserer Kunden. So können sie die digitale Transformation hin zur Smart Factory möglichst rasch vollziehen.

swiss export Journal 4/20